GRUENE EHINGEN
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[ARCHIV] Gestern wurden im Gemeinderat die Haushaltsreden gehalten. Hier die Rede der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen im Wortlaut:
Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister, liebe Kolleginnen und Kollegen. Die Haushaltsrede ist Anlass, über die reine Finanzplanung hinaus auf die allgemeine Entwicklung der Kommunalpolitik im vergangenen Jahr zurückzublicken. Wie überall, so gab es auch hier Licht und Schatten. Ich werde versuchen, beidem gerecht zu werden. Herzlich danken möchten wir zunächst den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Stadtverwaltung, die auch in diesem Jahr mit Tatkraft zur guten Entwicklung der Stadt Ehingen beigetragen haben, jede an ihrer und jeder an seiner Stelle: Vom Oberbürgermeister über die Amtsleiter und die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Rathaus bis zu den Reinigungskräften, die unsere Einrichtungen in Ordnung gehalten haben. Das vergangene Jahr war für die Ehinger Kommunalpolitik ein besonderes. Die ersten zwölf Monate von Alexander Baumann im Amt des Oberbürgermeisters sind von den Bürgerinnen und Bürgern aufmerksam, wohlwollend und zum Teil mit großen Hoffnungen begleitet worden. Für uns als Gemeinderatsfraktion können wir sagen, dass der Neue Vieles besser gemacht hat als sein Vorgänger. Positiv ist, dass bei wichtigen Entscheidungen nunmehr alle Fraktionen im Vorfeld besser informiert werden. Die Sitzungsleitung im Gemeinderat gestaltet der neue OB meist fairer und humorvoller. Auch inhaltlich sind bei diversen Themen die Weichen besser gestellt: Zum Beispiel ist für das kommende Haushaltsjahr endlich ein Radwegekonzept eingeplant. Wir freuen uns, dass unsere Vorarbeiten und Anregungen jetzt aufgegriffen wurden. Gut ist weiterhin, dass im Museum bald auch die Geschichte des 20. Jahrhunderts angemessen dargestellt wird und wir damit auf einen zeitgemäßen Stand kommen. Viel verspricht die Zukunftswerkstatt „Familienfreundliche Kommune“ der Lokalen Agenda, die gleich im Januar 2012 stattfinden wird. Damit beschreiten wir einen Weg, auf dem die Bürgerinnen und Bürger stärker an der Entwicklung ihrer Stadt beteiligt werden. Das begrüßen und unterstützen wir voll und ganz. Spannend wird freilich die Frage, wie sich das Zusammenspiel zwischen Lokaler Agenda und Gemeinderat gestalten wird. Denn der Gemeinderat als demokratisch legitimiertes Gremium muss letztlich die politischen Entscheidungen treffen. Wir hoffen, dass er dabei auf der Höhe der Zeit ist und die vielfältigen Anregungen aus der Lokalen Agenda umsetzt. Diese Hoffnung gilt ebenso für das Thema Erneuerbare Energien, dem sich die Lokale Agenda erfreulicherweise verstärkt annehmen wird. Einen Missstand sehen wir in der Ehinger Kommunalpolitik allerdings nach wie vor. Das Wort „alternativlos“ wurde in Deutschland nicht von ungefähr zum Unwort des Jahres gewählt. Es ist ja nur allzu bequem, wenn man Entscheidungen als „alternativlos“ bezeichnet und sich damit jegliche Diskussion erspart. Auch in Ehingen versuchen die Mächtigen – und Mächtige gibt es auch hier – immer wieder, ihre Politik als alternativlos darzustellen. Dabei ist es geradezu die Grundvoraussetzung einer funktionierenden Demokratie, dass man über Alternativen offen diskutiert und miteinander um die beste Lösung ringt. Alternativen gibt es nämlich immer, auch in Ehingen: Man kann Strom aus Erneuerbaren Energien beziehen oder aus dreckiger Kohle- und gefährlicher Kernkraft. Man kann Reinigungskräfte direkt einstellen oder die Verantwortung an einen externen Dienstleister abschieben. Man kann die Ausbreitung der Spielsucht bekämpfen oder Spielhallen fördern. Alternativen gibt es auch bei anderen Themen. So verlangen wir seit Jahren, dass die gesetzlich vorgeschriebenen ökologischen Ausgleichsmaßnahmen für Eingriffe in die Natur transparenter gestaltet werden. Wir sollten endlich auch in Ehingen ein übersichtlich geführtes Ausgleichskonto einrichten. Weiterhin wird uns in Zukunft das Thema Windkraft beschäftigen. Es ist gut, dass der städtische Versorgungs- und Verkehrsbetrieb einen dritten Zweig „Energie“ bekommen hat. Und es ist gut, dass die Stadt über diesen Betriebszweig zum Ausbau der Photovoltaik in Ehingen beiträgt. Diese Maßnahmen bringen Jahr für Jahr einen fünfstelligen Betrag in die Kassen der Stadt. Aber Verantwortung zeigt sich eben auch dort, wo man keinen unmittelbaren finanziellen Vorteil hat (den Ökostrom habe ich bereits angesprochen). Für den Ausbau der Windkraft erwarten wir, dass die finanziellen Eigeninteressen der Stadt nicht das oberste Planungskriterium werden. Gerade für eine breite Akzeptanz der Energiewende ist es wichtig, möglichst viele Bürgerinnen und Bürger an den Chancen zu beteiligen. Dafür haben sich überall im Land Bürgerenergiegenossenschaften bewährt. Alternativen sind schließlich auch beim Thema „Demographischer Wandel“ gefragt. Seit fünf Jahren geht die Einwohnerzahl in Ehingen stetig zurück, obwohl unsere Wirtschaft brummt wie in wenig anderen deutschen Kommunen. Die Prognosen des Statistischen Landesamts sprechen eine eindeutige Sprache. Bis zum Jahr 2030 wird Ehingen rund 1.000 Einwohner verlieren. Das stellt uns vor immense Herausforderungen, die in ihrer Tragweite manchem wohl noch gar nicht bewusst sind. Es kann doch keine Lösung sein, einfach immer mehr Neubaugebiete auszuweisen. Damit produzieren wir auf lange Sicht Leerstände und Infrastrukturkosten, die unsere Kinder und Enkelkinder drücken werden. Ein Umdenken ist dringend nötig! Hoffentlich setzt schon die Zukunftswerkstatt im Januar die richtigen Impulse. Energiewende, ökologisch-sozialer Umbau, demographischer Wandel – überall gibt es Alternativen zu den Rezepten aus der Vergangenheit. Es ist unser gutes Recht, für solche Alternativen im politischen Prozess zu werben, auch wenn die Mehrheit am Ende anders entscheidet. Manche Stadträte meinen ja, nach der CDU-Fraktionssitzung sei die Messe sowieso schon gelesen. Die Beratung im Gemeinderat halten sie für pure Zeitverschwendung, zumal wenn draußen schönes Wetter ist. Nein: Das demokratische Recht, Alternativen aufzuzeigen, lassen wir uns nicht nehmen, nicht durch die Verschiebung von Beschlüssen in nichtöffentliche Sitzungen, nicht indem unsere Anträge überraschend unter dem Tisch verschwinden und auch nicht durch andauernde persönliche Verunglimpfungen. In den letzten Monaten hat sich ja leider ein ungutes Muster im Gemeinderat eingespielt: Wir bringen sachliche Argumente vor und werden dafür von Einzelnen – ich betone: von Einzelnen – aus der CDU-Fraktion mit persönlichen Angriffen, Unterstellungen und Beschimpfungen bedacht. Da heißt es dann, wir seien unverschämt, wir seien grundsätzlich gegen Arbeitsplätze, wir achteten nicht aufs Geld, wir verstünden nichts von der Verwaltung und ähnlicher Unfug. Dabei macht es übrigens keinen großen Unterschied, ob man eine Beschimpfung ausspricht oder ob man dazu mit der Meute johlt und auf die Tische hämmert. Einzelne aus Ihrer Fraktion schätze ich sehr. Aber als Gruppe im Gemeinderat würden wir Sie gerne öfter so erleben, wie Sie sich selbst bezeichnen: als eine bürgerliche Partei mit bürgerlichen Werten und bürgerlichen Umgangsformen. Hier erwarten wir von den Mitgliedern der Mehrheitsfraktion, denen an einer konstruktiven Zusammenarbeit im Rat gelegen ist, mehr Courage. Und natürlich steht auch der Vorsitzende des Gremiums in der Pflicht, für einen fairen Ablauf der Sitzungen zu sorgen. Herr Oberbürgermeister, Sie haben vor der Wahl angekündigt, ihr Amt überparteilich auszuüben. Dieses Versprechen sehen wir noch nicht überall eingelöst. In wichtigen Situationen wie dem Gentechnikantrag oder der Stromdebatte waren Sie nicht nur inhaltlich, sondern auch in der Steuerung des Sitzungsablaufs parteiisch. Und wenn zu kommunalen Anlässen über die Landespolitik gesprochen wird, dann wähnt man sich manches Mal eher auf einer CDU-Wahlkampfveranstaltung als auf einer Jubiläumsfeier. Das ist nicht nur unerfreulich, sondern auch schädlich. Natürlich funktionieren heute die alten Seilschaften nach Stuttgart nicht mehr wie früher. Aber es hilft doch nichts, sich in die Schmollecke zurückzuziehen, weil die Bürgerinnen und Bürger von Baden-Württemberg die CDU abgewählt haben. Sonst wandelt sich Ehingen bald von der oft zitierten Insel der Glückseligen zu einem gallischen Dorf, das sich gegen die Entwicklungen der Gegenwart hermetisch abriegelt. Gallische Dörfer sind zwar im Comic lustig anzusehen, waren in der realen Geschichte aber nie lange überlebensfähig. Vom Land wird es auch künftig Zuschüsse geben, aber eben für andere, nachhaltigere Projekte. Davor dürfen wir uns nicht verschließen. Etwa bei der Bildungspolitik der neuen Landesregierung: Davor steht man in Ehingen wie das Kaninchen vor der Schlange. Seien wir doch offen für die Chancen, die sich bieten! Sonst wird der Schulstandort Ehingen auf Dauer Schaden nehmen. Die neue grün-rote Landesregierung tut viel für die Kommunen. Für die Sprachförderung in den Kindergärten, für die Schulsozialarbeit und für die Kleinkindbetreuung hat das Land seine Zuschüsse deutlich erhöht. Allein die Zuweisungen für die Kleinkindbetreuung bringen Ehingen im Jahr 2012 über 300.000 € mehr Geld in die Kassen als bisher. Trotzdem handeln manche politisch Verantwortliche in Ehingen immer noch nach dem alten Dogma: „Außerhalb der CDU darf es kein Heil geben“. Ein solches Dogma ist aber wenig hilfreich in einer Zeit, in der sich die Welt um uns herum schneller ändert als das Denken in den Köpfen. In den letzten Monaten hat sich die Zusammenarbeit im Gemeinderat spürbar verschlechtert. Was aus unserer Sicht die Gründe dafür sind, habe ich geschildert. Wir hoffen sehr, dass sich das im kommenden Jahr zum Besseren ändert. Das wird gelingen, wenn sich – quer zu allen Fraktionsgrenzen – diejenige Mehrheit im Gemeinderat durchsetzen wird, die zur konstruktiven Zusammenarbeit ohne parteipolitische Scheuklappen bereit ist. Dem Haushalt werden wir zustimmen. Während andere Kommunen in der Wirtschaftskrise ihre Ausgaben auf das Allernötigste zusammenstreichen mussten, kann Ehingen dank seiner erfolgreichen Unternehmen über die Pflichtaufgaben hinaus viele sinnvolle Projekte finanzieren. Wirklich streiten werden wir uns erst dann müssen, wenn schmerzhafte Streichungen anstehen. Tragen wir alle zusammen dazu bei, dass uns das lange erspart bleibt! Vielen Dank. Veröffentlicht am 16. Dezember 2011 um 10:01 Uhr. |
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