GRUENE EHINGEN
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[ARCHIV] Vor der Verabschiedung des Haushalts 2013 in der gestrigen Gemeinderatssitzung haben die Fraktionsvorsitzenden ihre Haushaltsreden gehalten. Hier die Rede für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen im Wortlaut:
Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister, liebe Kolleginnen und Kollegen. Das Jahr 2012 war sehr ereignisreich, im Guten wie im Schlechten. Wohl nie zuvor stand Ehingen auch bundesweit so stark im Blickpunkt der öffentlichen Aufmerksamkeit wie in den vergangenen zwölf Monaten. Die Schlecker-Insolvenz, bei der Hunderte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in Ehingen ihren Arbeitsplatz verloren haben, hat uns betroffen gemacht. Doch trotz ihrer enormen Tragweite für die Stadt und die Menschen hat diese Insolvenz den Gemeinderat erstaunlich wenig beschäftigt. Vielleicht zeigt sich daran ein Stück weit auch die Begrenzung dieses Gremiums und der Stadtverwaltung insgesamt, wenn es darum geht, direkten Einfluss auf unternehmerische Entscheidungen und Entwicklungen zu nehmen. Schauen wir also auf das, was wir unmittelbar im Gemeinderat und in der Verwaltung beeinflussen können. Dabei möchten wir auch dieses Jahr zuerst den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Stadtverwaltung danken, die mit Tatkraft zur guten Entwicklung der Stadt Ehingen beigetragen haben: vom Oberbürgermeister über die Amtsleiter und die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Rathaus bis zu den Menschen, die an vielen Stellen für unsere Stadt wertvolle Dienste leisten. Das bezieht auch die Ehrenamtlichen mit ein, die sich in der Lokalen Agenda und in Vereinen engagieren, und ohne die Ehingen viel weniger lebenswert wäre. In der Innensicht auf Ehingen war das Jahr 2012 ereignisreich vor allem auch im Guten. Denn es wurden Projekte vorangebracht, die schon länger auf unserer Agenda stehen: Am auffälligsten sind sicherlich die neuen Initiativen im Bereich Bürgerbeteiligung. Die Zukunftswerkstatt „Familienfreundliche Kommune“ im Januar war dafür ein Musterbeispiel. Warum ist sie so gut gelungen? Für die Bürgerinnen und Bürger waren die diskutierten Fragen unmittelbar relevant: Was wünschen sich Kinder und Jugendliche in Ehingen? Welche Angebote brauchen Familien? Wie wollen wir im Alter leben? Der enorme Zuspruch in den Workshops hat bewiesen, dass sich die Bürgerinnen und Bürger beteiligen möchten, dass sie bereit sind, ihre Stadt mitzugestalten, wenn man ihnen die Möglichkeit dazu gibt und wenn sie einen klaren Bezug zu ihrer Lebenswirklichkeit sehen. Ein weitere Erfolgsfaktor: Die Veranstaltung wurde sehr gut begleitet und moderiert. Und schließlich gab es größtmögliche Transparenz. Die Ergebnisse wurden öffentlich gemacht, und die Bürgerinnen und Bürger konnten nachvollziehen, in welche Maßnahmen ihre Überlegungen münden, so dass sich ihr Einsatz gelohnt hat. Das war ein guter Start ins Jahr! Beim Projekt „Nachhaltige Stadt“, das die Stadt gemeinsam mit der EnBW durchführt und finanziert, gilt das leider noch nicht in gleichem Maße. Gerade wenn bürgerschaftliches Engagement und wirtschaftliche Interessen einzelner Unternehmen miteinander verwoben werden, ist absolute Transparenz der Strukturen und Entscheidungswege enorm wichtig. Wenn diese Transparenz nicht gegeben ist, dann wird die Motivation der Bürgerinnen und Bürger, sich aktiv zu beteiligen, zwangsläufig nachlassen. Hier knirscht es beim Projekt „Nachhaltige Stadt“ noch an einigen Stellen. Aber das Instrument der Bürgerbeteiligung ist zu kostbar, um es auf diese Weise zu beschädigen! Umso mehr, als im kommenden Jahr ein weiterer umfassender Beteiligungsprozess ansteht mit der Erarbeitung eines Stadtentwicklungsleitbildes. Dabei sollten wir unbedingt wieder an die äußerst positiven Erfahrungen aus der Zukunftswerkstatt anknüpfen! Weitere erfreuliche Punkte, die in den vergangenen Jahren regelmäßig auf unserer Liste „Noch zu erledigen“ standen: Inzwischen wurde ein Radwegekonzept erstellt. Wir kennen es noch nicht. Und wir könnten die Umsetzung ambitionierter angehen, statt bis 2014 zu warten. Aber allein die Tatsache, dass wir ein solches Konzept haben und uns bei künftigen Baumaßnahmen daran orientieren können, ist sehr zu begrüßen. Dann der Ausbau der Erneuerbaren Energien: Hier liegen aus den Bürgerworkshops Ideen auf dem Tisch, wie wir mit dezentraler Energieerzeugung und dem Aufbau von Wärmenetzen einen sinnvollen Beitrag leisten können und die Wertschöpfung am Ort bleibt. Die Stadt tut bei ihren eigenen Gebäuden bereits einiges dafür. Jetzt müssen wir die Ideen der Bürgerinnen und Bürger aufgreifen und sie über die Bauleitplanung und andere Instrumente in die Praxis umsetzen. Die Chancen stehen gut. Der Ausbau der Erneuerbaren Energien wird von einer breiten Akzeptanz getragen. Wer hätte es zum Beispiel vor ein paar Jahren für möglich gehalten, dass sich der Ehinger Gemeinderat geschlossen für den Bau von Windrädern ausspricht? Für den Ausbau der Kinderbetreuung unternehmen wir enorme Anstrengungen. Wegen des Rechtsanspruchs auf einen Betreuungsplatz tun wir das nicht ganz freiwillig. Aber mit dem Vorhaben, verbindliche Betreuungszeiten durchgängig zu gewährleisten, gehen wir deutlich über das Verpflichtende hinaus. Das ist gut so. Das Museum wird demnächst endlich die gesamte Ehinger Geschichte darstellen, ohne einzelne unbequeme Abschnitte auszuklammern. Am Zwanzigsten Jahrhundert gibt es noch so viel zu erforschen und daraus zu lernen! Und schließlich hört man in letzter Zeit auch von der Verwaltung immer häufiger das Schlagwort „Innenentwicklung vor Außenentwicklung“. Wenn dieser Grundsatz konsequent umgesetzt wird, wäre das wirklich ein nachhaltiges Umdenken mit positiven Folgen für die Zukunftsfähigkeit unserer Stadt. Bürgerbeteiligung, Radwegekonzept, erneuerbare Energien, Kinderbetreuung, Museum, Innenentwicklung: Dass hier einiges vorangeht, ist auch ein Verdienst des Oberbürgermeisters. Dieses Verdienst erkennen wir an. Der Modernisierungsstau, der lange über der Ehinger Kommunalpolitik lag, beginnt sich in einigen Bereichen aufzulösen. Aber auch das darf gesagt werden: Vieles hätte schon wesentlich früher geschehen können. Es müssen doch nicht erst lange Jahre vergehen, in denen zukunftsweisende Vorschläge als nicht praktikabel abgelehnt und gar nicht ernsthaft diskutiert werden, bevor sie dann irgendwann plötzlich doch von anderer Seite auf der Agenda stehen. Es geht hier nicht um Rechthaberei, sondern um die Frage, ob wir an diesen Beispielen aus der Vergangenheit nicht etwas für die Gegenwart und für eine bessere Zukunft lernen könnten. Wir meinen: Ein gut funktionierendes demokratisches Gemeinwesen muss in der Lage sein, unterschiedliche Meinungen offen und konstruktiv auszutragen. Es würde sich lohnen, wenn wir uns im Gemeinderat mehr und ernsthafter mit Alternativen auseinandersetzen würden, um zu wirklich guten Entscheidungen zu kommen. Die würden uns nämlich oft eine Menge nachträglichen Ärger ersparen. Beispiele gefällig? Wir erinnern uns alle an die unsäglichen Versuche, einem Investor in der Adolffstraße eine neue Spielhalle zuzulassen. Diesen Streitpunkt haben wir stadtplanerisch mit dem Vergnügungsstättenkonzept abgeschlossen, ohne allerdings die dahinterliegende Problematik der Spielsucht zu lösen – das muss man der Ehrlichkeit halber sagen. Ein anderes Thema, das uns im vergangenen Jahr sehr beschäftigt hat, und das uns auch 2013 keine Ruhe lassen wird, ist die Fremdvergabe der Reinigungsarbeiten. Der Gemeinderat hat sich hier gegen alle Einwände mehrheitlich für ein Verfahren entschieden, das wir von Anfang an für untauglich gehalten haben. Mit der Ausschreibung wurde eine Unternehmensberatung beauftragt. Als Honorar bekam sie die Hälfte der jährlichen Einsparung. Sprich: Je billiger die Vergabe, desto dicker der Scheck. Mancher in dieser Runde hat sich ob der spektakulären Einsparungen, die dann auf dem Papier errechnet wurden, die Augen gerieben; mancher aber auch ob des Honorars von rund 200.000 Euro, das die Unternehmensberatung eingestrichen hat, noch bevor der erste Besen geschwungen wurde. Nun gab es das ganze Jahr Klagen über die schlechte Qualität der Reinigung in städtischen Gebäuden. Die Verwaltung ist bemüht, das Problem in den Griff zu bekommen, allerdings bislang noch ohne wirklich gutes Ergebnis. Um es klar zu sagen: Das Problem sind nicht angeblich schlecht ausgebildete oder arbeitsunwillige Mitarbeiterinnen der Reinigungsfirma. Der Fehler liegt im System: im System einer Vergabe zu Dumping-Bedingungen, die in der Praxis schlicht nicht funktionieren. Und so steigen die Kosten für die Reinigungsarbeiten im Haushalt 2013 um fast 100.000 Euro. Die Verwaltung hat inzwischen eingeräumt, dass diese Steigerungen auch auf unzureichende Kalkulationen und falsche Einstufungen bei der Vergabe zurückzuführen sind. Wir fragen aber: Wenn die errechneten Einsparungen in der Praxis so gar nicht existieren, müsste dann die Unternehmensberatung nicht zwingend Honorar zurückbezahlen? Natürlich muss sie das! Dieses Geld wäre doch viel besser bei denen aufgehoben, die es für ihre tägliche Arbeit für die Sauberkeit unserer Einrichtungen wirklich verdient haben! Dies sind Beispiele dafür, wie aus unserer Sicht die Arbeit im Gemeinderat besser werden kann: indem wir offener und sachlicher diskutieren, anstatt immer zuerst darauf zu schauen, von welcher Seite ein Vorschlag kommt. Seit ich diesem Gremium angehöre, habe ich diesen Wunsch in den jährlichen Haushaltsreden beharrlich ausgesprochen. Politik – so sagt man – ist das Bohren von dicken Brettern. Manche Hölzer sind zu hart, manche Bohrer zu stumpf, und manchmal bohrt man an der falschen Stelle. Aber irgendwann wird auch das gelingen. Mehr Offenheit und Sachorientierung würde übrigens auch beim Thema Schulen nützen. Von der Gemeinschaftsschule erhoffen sich manche im Land die Lösung der Bildungsprobleme. Andere hingegen sehen mit der Einführung der Gemeinschaftsschule schon fast den Untergang des christlichen Abendlandes heraufziehen. Beides ist falsch, denn die Qualität von Bildung hängt von viel mehr Faktoren als nur von der Schulform ab. Wir sollten dieses Thema nicht ideologisch angehen – Gemeinschaftsschulen sind nicht „gut“ oder „böse“ – sondern pragmatisch: Ehingen hat heute eine attraktive Schullandschaft. In Baden-Württemberg gibt es als neues Angebot die Gemeinschaftsschule. Dieses Angebot wird von Eltern und Schülern stark nachgefragt. Also sollten wir ohne ideologische Vorbehalte prüfen, wie wir dieses Angebot ermöglichen können. Damit erhalten wir den Schulstandort Ehingen auch in Zukunft attraktiv. So einfach könnte das sein. Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir beschließen heute einen Haushalt, der im Vergleich zu anderen Kommunen unserer Größenordnung immer noch ein stolzes Volumen hat. Schmerzhafte Kürzungen sind für 2013 trotz deutlich sinkender Steuereinnahmen noch nicht vorgesehen. Wir werden im kommenden Jahr sogar schuldenfrei sein. Das ist nicht hoch genug zu bewerten, wenn man auf andere Kommunen schaut, die mit wirklich existenziellen Nöten kämpfen. Aber um die Kontinuität zu gewährleisten, müssen wir 2013 die Rücklagen mit fast 10 Millionen Euro beinahe vollständig aufbrauchen. Gleichzeitig beschließen wir Maßnahmen, die durch Verpflichtungsermächtigungen ab dem übernächsten Jahr 7,5 Millionen Euro binden und so unseren Gestaltungsspielraum weiter einengen werden. Wir wissen alle, dass Ehingen diesen Kurs auf Dauer nicht beibehalten kann. Der Oberbürgermeister hat bei der Einbringung des Haushalts darauf hingewiesen, dass ein strukturell ausgeglichener Haushalt für 2014 nur über einschneidende Maßnahmen erreicht werden kann: entweder über höhere Steuern und Abgaben, über eine Reduzierung der Ausgaben oder über neue Schulden. Er hat die Fraktionen heute schon um eine Stellungnahme gebeten, welchen Weg sie dabei vorschlagen. Machen wir uns nichts vor: Ob höhere Steuern, niedrigere Ausgaben oder neue Schulden – wie bislang noch bei allen Themen in der Ehinger Kommunalpolitik wird diese Entscheidung am Ende von der CDU-Fraktion mit ihrer absoluten Mehrheit getroffen. Wir sind grundsätzlich bereit, uns konstruktiv zu beteiligen und Verantwortung zu übernehmen. Das muss dann aber auch bei anderen Themen möglich sein. Was nicht geht, ist, sich sämtliche Erfolge Ehingens auf die schwarze Fahne zu schreiben und dann bei unangenehmen Entscheidungen andere vorzuschieben. Bis zur Verabschiedung des Haushalts 2014 ist noch ein Jahr Zeit. Nutzen wir dieses Jahr gut, damit wir für schwierigere Zeiten gewappnet sind! Veröffentlicht am 14. Dezember 2012 um 10:07 Uhr. |
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