GRUENE EHINGEN
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Meinung - Die Europäische Union will die Bundesrepublik verklagen, weil die Luft in deutschen Großstädten dermaßen schlecht ist. Eine schnelle Lösung muss her, um Fahrverboten aus dem Weg zu gehen, und um den Wähler nicht noch mehr zu verärgern.
Vorweg: Ein kostenloser Nahverkehr ist natürlich erst einmal eine charmante Idee. Was die Bundesregierung da aber vorgelegt hat, ist nicht viel mehr als eine Mogelpackung. Sie bleibt mit ihren Ankündigungen maximal vage. Es gab bisher keine konkreten Antworten auf den Vorschlag, woher das Geld kommen soll, mit dem der kostenlose Nahverkehr finanziert werden soll- vermutlich, weil der Vorschlag eben noch nie richtig durchdacht wurde. Ja, es gibt Städte, in denen der Kostenlose ÖPNV funktioniert. Das Paradebeispiel ist die Stadt Tallin in Estland. Seit 2013 können gemeldete Einwohner umsonst fahren. Die Stadtverwaltung will damit Staus und Luftverschmutzung verringern. Die Stadt spricht von einem Erfolg und verweist darauf, dass sich ihr Programm rechnet. Allerdings: Es ist eben auch nur diese eine Stadt in Estland, in der es funktioniert. Und das Steuermodell in Estland ist anders als in Deutschland- so gehen eben nicht ein Großteil der Steuern an die Kommune wie in Estland, sondern erst an den Staat, der wiederum das Geld verteilt. Es gibt auch andere Städte (u.a. in Polen, Frankreich, Belgien, Dänemark, England, Amerika, Thailand, Malaysia und Australien), die sich an dem Konzept eines öffentlichen Nahverkehrs versucht haben. Doch auch dort hat sich dieses Prinzip nirgends auf Dauer halten können- und auch in Tallin wird dieses Projekt nur weiter finanzieren, wenn Steuerzahler dazu kommen. Wie kann man den Nahverkehr attraktiv gestalten? Der Staat plant also mehr Geld in den Nahverkehr zu stecken- dann bitte aber in ausgebaute Strecken, dichteren Takten, schnelleren komfortableren Bahnen und Bussen (oder überhaupt Bahnen und Bussen). Seit 20 Jahren steigen die Fahrgastzahlen deutschlandweit. Und viele Strecken sind überlastet- auch bei uns! Dieses Problem gilt es vorrangig zu beheben. Dies allein kostet erst einmal genug Geld. Der Landrat Heiner Scheffold kennt dieses Problem, welches er unserem Verkehrsminister Winfried Hermann ausführlich schildert. Er schreibt über wachsende Beschwerden aufgrund mangelnder Kapazitäten der Nahverkehrszüge im DING-Gebiet. Er schreibt auch von seinen eigenen Erlebnissen- so seien die morgendlichen Züge zwischen 15. und 21. Dezember 2017 an den Werktagen von Ehingen nach Ulm mit lediglich zwei, anstatt drei Wägen ausgestattet gewesen. So seien bereits in Ehingen die Fahrgäste gestanden, an den Bahnhöfen Allmendingen, Schelklingen und Blaubeuren konnten nicht mehr alle Fahrgäste aufgenommen werden. Scheffold beschreibt dies zurecht als einen „desolaten Zustand“. Auch ich kann dies bestätigen. Es ist kein haltbarer Zustand, wenn man zu spät zur Schule oder Arbeit kommt, weil regelmäßig Schulbusse überfüllt sind und Regionalbahnen sogar ausfallen. Ist erst einmal dieses Problem behoben, dann gilt es schrittweise die Städte wieder attraktiver für Fahrradfahrer und Fußgänger zu machen, denen in der Blütezeit der Automobilindustrie ab 1960 fortlaufend die Rad- und Fußwege genommen wurden. Das Autofahren muss wieder unattraktiver werden. Dazu könnte man sich Wien als Vorbild nehmen. Die Stadt hat dort 2012 ein „365-Euro-Ticket“ eingeführt. So kann man in Wien für nur einmalig 365 Euro ein ganzes Jahr lang Bus und Bahn im Nahverkehr nutzen, was dort seit Einführung des Modells zu einer Verdopplung der Fahrgastmenge führte. Auch dort lassen also die Menschen ihre Autos stehen, und nutzen lieber dieses Angebot- was übrigens um einiges billiger ist, als ein Auto zu verhalten. Der Rest der aufkommenden Kosten schießt der Staat/ bzw. die Stadt zu. Die Stadtratsfraktion der Grünen in Ulm hat dieses Modell ebenfalls bereits vorgeschlagen. Ein weiterer Vorteil dieses Modells wäre übrigens die Tatsache, dass nur derjenige, der auch ein 365-Euro Ticket will, eines kaufen muss. So muss also nicht, wie im Vorschlag der Bundesregierung enthalten, jeder Steuerzahler (wie jemand auf der Alb, wo eh schon viel zu wenige Busse fahren) alle Tickets auch für einen bspw. Stuttgarter (mit einem 2-Minuten Takt vor Ort) mitzahlen. Das wäre gerechter. Übrigens: Schnell die Luft verbessern wird weder ein kostenloser noch ein viel besserer Nahverkehr. Denn beides dauert. Ohne Fahrverbote für besonders dreckige Autos wird es vermutlich also nicht gehen. Die werden am Ende aber Gerichte verhängen, weil die Politik sich nicht traut. Bei dieser Diskussion geht es also nicht vorrangig um eine schnelle Lösung für bessere Luft in deutschen Innenstädten, sondern um eine langfristige Verbesserung der Lebensqualität für alle Beteiligten. Und das Problem mit der verdreckten Luft ist nur Kind einer von der Autolobby gesteuerten Politik, die zudem jahrelang nur wenn es ums Sparen ging über den ÖPNV geredet hat. Das rächt sich jetzt. Von Jens Scherb |
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